Elektrolyseur-Technologien verstehen heißt intelligente Investitionsentscheidungen treffen

Trendpapier – 28. April 2023

Die Nachfrage nach kohlenstoffarmem Wasserstoff wird steigen, aber das Verständnis der Stärken und Schwächen der einzelnen Elektrolyseur-Verfahren wird der Schlüssel zu intelligenten Investitionsentscheidungen sein.
Ein Trendpapier in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Apricum.

Um die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, gehen wir davon aus, dass die weltweite jährliche Nachfrage nach kohlenstoffarmem Wasserstoff von weniger als einer Million Tonnen im Jahr 2021 auf 20 bis 30 Millionen Tonnen bis zum Ende des Jahrzehnts ansteigen wird. Für die Versorgung mit grünem Wasserstoff sind 160 bis 240 Gigawatt (GW) Elektrolysekapazität erforderlich. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, wenn man bedenkt, dass die derzeitige Projektpipeline ca. 130 GW beträgt und bis 2030 mit einer Gesamtproduktion von 270 GW gerechnet wird. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Beteiligten schnell handeln, da bisher weniger als fünf Prozent der angekündigten Projekte die endgültige Investitionsentscheidung erreicht haben.

Eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen dieses Meilensteins ist jedoch die Auswahl der am besten geeigneten Elektrolyseur-Technologie, wobei vor allem die Gestehungskosten des Wasserstoffes im Fokus stehen. Die verfügbaren Technologien weisen unterschiedliche Merkmale auf und ihre Kosten hängen von der jeweiligen Projektkonstellation ab. Im Folgenden stellen wir die Unterschiede zwischen den vier ausgereiftesten Elektrolyseur-Technologien vor – alkalisch, Protonenaustauschmembran (PEM), alkalische Membran und Festoxid.

Das „Arbeitspferd“: Alkalische Elektrolyseure liefern kostengünstigen Wasserstoff bei gleichmäßiger Auslastung
Alkalische Elektrolyseure erzeugen Wasserstoff aus einer Kaliumhydroxidlösung, was die Verwendung einer kostengünstigen, porösen Membran, dem sogenannten Diaphragma und reichlich vorhandener Katalysatormaterialien (z. B. Nickel) ermöglicht. Der Preis dafür ist eine eingeschränkte Betriebsflexibilität: Das Diaphragma ist für im Elektrolyten gelöste Gase durchlässig, wodurch die untere Betriebslast auf rund 20 Prozent der Nennlast begrenzt ist und bei Kaltstarts langwierige Gasspülzyklen erforderlich sind. Das führt zu langen Anlaufzeiten. Die hohe Durchlässigkeit des Separators begrenzt zudem den Wasserstoffausgangsdruck des Elektrolyseurs.

Heute werden alkalische Elektrolyseure vor allem wegen ihrer rekordverdächtig niedrigen Investitionskosten von 800 bis 1400 Dollar pro Kilowatt für Anlagen im Megawattbereich ausgewählt. Das ideale Projektumfeld für alkalische Elektrolyseure sind industrielle Großanlagen, die eine konstante Wasserstoffproduktion bei niedrigen Drücken erfordern. In diesem Szenario ist der Elektrolyseur in der Regel an das Stromnetz angeschlossen und wird mit hoher Auslastung betrieben. Die Wasserstoffgestehungskosten sind vor allem von den Stromkosten abhängig. Der Transport des Wasserstoffs und die Investitionskosten des Elektrolyseurs spielen nur eine untergeordnete Rolle.

So hat der schwedische Stahlhersteller Ovako an seinem Standort in Hofors einen alkalischen 20-Megawatt-Elektrolyseur installiert, um fossiles Propangas in seinen Hochöfen zu ersetzen. Der Elektrolyseur ist an das örtliche Stromnetz angeschlossen, was einen stabilen Betrieb ermöglicht und so die Gestehungskosten des Wasserstoffs niedrig hält. Auch der britische Gasversorger SGN setzt einen alkalischen Fünf-Megawatt-Elektrolyseur ein, um in schottischen Haushalten Erdgas durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Der Elektrolyseur wird größtenteils von einer lokalen Offshore-Windturbine angetrieben, ist aber zusätzlich an das Stromnetz angeschlossen, um einen stabilen Betrieb und eine gleichmäßige Wasserstoffproduktion zu ermöglichen.

„Das Rennpferd“: Protonenaustauschmembran (PEM) kann flexibel auf eine fluktuierende Stromversorgung reagieren
Im Gegensatz zu alkalischen Elektrolyseuren verwenden Elektrolyseure mit Protonenaus-tauschmembran (PEM) einen Polymerelektrolyten und erzeugen Wasserstoff aus reinem Wasser. Die saure Umgebung der PEM erfordert kostspielige Materialien wie Katalysatoren auf Platin- und Iridiumbasis, eine perfluorierte Ionenaustauschmembran und Elektroden auf Titanbasis, was die Investitionskosten auf 1200 bis 1800 Dollar pro Kilowatt treibt.

Die Hauptvorteile der PEM-Elektrolyseure ergeben sich aus den hohen Gasbarriereeigenschaften der Membran, die hohe Ausgangsdrücke, einen schnellen Kaltstart und ein breites Betriebslastfenster ermöglichen. Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung von reinem Wasser anstelle eines alkalischen Elektrolyten ist die geringere Belastung der zugehörigen Anlagen wie Pumpen, Ventile oder Schläuche, was zu längeren Wartungsintervallen und Betriebskosteneinsparungen führt.

PEM-Elektrolyseure eignen sich gut für netzunabhängige Anlagen, die mit stark schwankenden erneuerbaren Energiequellen wie PV- oder Windenergieanlagen betrieben werden. Die schnelle Inbetriebnahme und das breite Betriebslastfenster ermöglichen eine höhere Auslastung als bei einem alkalischen System. Der Standort in der Nähe einer Erneuerbare-Energien-Anlage und die dynamische Betriebsweise erfordern häufig eine Kompression für den Transport und die Speicherung des Wasserstoffs, sodass die Fähigkeit der PEM, Wasserstoff bei hohen Drücken von bis zu 50 bar zu erzeugen, genutzt werden kann. In diesem Szenario werden die Wasserstoffgestehungskosten hauptsächlich durch die Investitionskosten des Elektrolyseurs und die Wasserstofflogistik bestimmt, sodass die Auslastung und der Produktionsdruck die wichtigsten Kostenhebel sind.

PEM-Elektrolyseure eignen sich daher besonders gut für Projekte, die direkt an fluktuierende PV-Anlagen angeschlossen sind – wie etwa der 20-MW-PEM-Elektrolyseur, den der spanische Energieversorger Iberdrola gebaut und an eine 100-MW-PV-Anlage in Puertollano angeschlossen hat, um Gründünger zu produzieren. Ein weiterer bevorzugter Einsatzbereich für PEM-Elektrolyseure sind Projekte, die mit schwankendem Windstrom betrieben werden, insbesondere wenn der Elektrolyseur auf See steht. Hier kann die PEM-Elektrolyse ihre Vorteile perfekt ausspielen: hohe Lastvariabilität, hoher Ausgangsdruck, geringer Platz- und Wartungsbedarf. Beispiele hierfür sind das Pilotprojekt PosHYdon mit einer Leistung von einem Megawatt auf einer Gasplattform in der niederländischen Nordsee und die Offshore-Windturbine SG 14-222 DD von Siemens Gamesa, die mit einem integrierten PEM-Elektrolyseur ausgestattet ist.

„Das Querfeldein-Pferd“: Festoxidelektrolyseur
Festoxidelektrolyseure nutzen hohe Temperaturen, um den Systemwirkungsgrad auf über 80 Prozent zu erhöhen und die Verwendung von reichlich vorhandenem, kostengünstigem Katalysatormaterial zu ermöglichen. Dies erfordert einen hitzebeständigen keramischen Separator (Festoxid), der den Ionentransport bei Temperaturen von 500 bis 900 Grad ermöglicht. Die hohen Betriebstemperaturen beeinträchtigen die Flexibilität und stellen eine zusätzliche Belastung für alle hitzeexponierten Materialien dar, wodurch die Lebensdauer begrenzt wird. Festoxidelektrolyseure benötigen kostengünstige Wärme, um den Umwandlungswirkungsgrad zu maximieren und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber PEM- und alkalischen Elektrolyseuren zu erreichen, was ihr kommerzielles Potenzial einschränkt. Das weltweit erste System im MW-Maßstab wurde von Sunfire in der Neste-Raffinerie in Rotterdam installiert, wobei Abwärme zur Vorwärmung des in den Elektrolyseur eintretenden Wasserdampfs verwendet wird.

„Das neue Fohlen“: Alkalische Membranen bieten attraktive Vorteile für Nischenan-wendungen
Alkalische Austauschmembran-Elektrolyseure kombinieren eine Ionenaustauschmembran mit einem alkalischen Elektrolyten. Dies ermöglicht die Kombination der wichtigsten Vorteile von alkalischen und PEM-Elektrolyseuren: ein kostengünstiges Katalysatormaterial und die betriebliche Flexibilität, die sich aus gasundurchlässigen Polymermembranen ergibt. Die Kommerzialisierung und der industrielle Einsatz von alkalischen Austauschmembran-Elektrolyseuren ist vor allem durch ihre geringe Stack-Lebensdauer begrenzt, die auf die begrenzte Haltbarkeit von Ionenaustauschmembranen in alkalischen Umgebungen zurückzuführen ist.

PEM und Alkali dominieren die kurzfristige Projektlandschaft
Für etwa zehn Prozent der Projekte der rund 130-GW-Projektpipeline für 2030 steht der Typ des zum Einsatz kommenden Elektrolyseurs schon fest. Demnach werden alkalische und PEM-Elektrolyseure sich den Markt voraussichtlich fast zu gleichen Teilen aufteilen, während die Festoxidtechnologie weiterhin eine Nischentechnologie bleibt.

2030 electrolyzer project pipeline by technology

Alkalische Elektrolyseure sollen mit einer rund zweimal größeren durchschnittlichen Projektgröße von 120 MW eingesetzt werden, während PEM-Elektrolyseure mit einer durchschnittlichen Projektgröße von rund 70 MW eher dezentral eingesetzt werden. Alkalische Elektrolyseure wurden für alle Projekte ausgewählt, die an das Stromnetz angeschlossen sind und von diesem – zumindest als Backup – versorgt werden. Im Gegensatz dazu bietet die PEM-Technologie einen potenziellen Kostenvorteil, wenn sie direkt an dezentrale, schwankende erneuerbare Energiequellen angeschlossen wird. Etwa 60 Prozent der angekündigten Projekte mit direktem Anschluss an erneuerbare Energiequellen haben sich für PEM-Elektrolyseure und etwa 40 Prozent für alkalische Elektrolyseure entschieden.

2030 electrolyzer project pipeline by power source and technology

Günstige Stromkosten und eine strenge Definition für grünen Wasserstoff seitens der EU treiben die Zahl der Projekte mit direktem Anschluss an erneuerbare Kraftwerke inzwischen auf rund 90 Prozent. Das unterstreicht den wachsenden Bedarf an die Flexibilität von Elektrolyseuren und die Wettbewerbsfähigkeit der PEM-Elektrolyse trotz der hohen Investitionskosten. Ob der Einsatz von PEM-Elektrolyseuren geringe Wasserstoffgestehungskosten im Vergleich zur alkalischen Elektrolyse bringt, hängt von der projektspezifischen Größe und der Auslastung ab.

Dies lässt sich anhand einer Isokostenkurve für verschiedene Auslastungsgrade und System-CAPEX veranschaulichen. Eine höhere Auslastung von rund zehn Prozentpunkten kann höhere Investitionskosten von bis zu 15 bis 20 Prozentpunkten für ein 10-MW-Referenzprojekt mit einer Basisauslastung von 70 Prozent und einem System-CAPEX von 1000 Dollar pro Kilowatt rechtfertigen, um die Wasserstoffgestehungskosten bei 5,9 $/kgH2 zu halten. Die maximale CAPEX-Differenz, die durch die Auslastung ausgeglichen werden kann, würde bei demselben Referenzprojekt 50 Prozent betragen.

Iso-cost curve for electrolyzers with different utilization rates and systems CAPEX

Der ideale Elektrolyseur bietet die Flexibilität der PEM- mit den Kosten der alkalischen Elektrolyse. Und genau daran arbeiten die Hersteller. In Zukunft sind für beide Technologien erhebliche Verbesserungen zu erwarten. Künftige alkalische Elektrolyseure werden durch den Einsatz von Separatoren der nächsten Generation mit verbesserten Gasbarrieren und Elektrolytumwälzungsverfahren erweiterte Lastbereiche und kürzere Anlaufzeiten bieten. Gleichzeitig werden künftige PEM-Elektrolyseure wohl mit geringeren Mengen an Platingruppenmetallen arbeiten, was ihre Investitionskosten senkt.

Dennoch werden beide Technologien aufgrund ihrer komplementären Vorteile in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich nebeneinander bestehen. Langfristig ist jedoch mit der Einführung von Hybridsystemen zu rechnen, bei denen alkalische Elektrolysestacks mit einer Grundlast betrieben werden und zusätzliche PEM-Stacks zum Abfangen vorübergehender Leistungsspitzen eingesetzt werden.

Auf der Green Hydrogen Forum & Expo (Halle B2, Messe München) der ees Europe können Sie sich vom 14. bis 16. Juni 2023 mit Herstellern und Projektpartnern austauschen. Das Green Hydrogen Forum (Stand B2.550) bietet an allen drei Messetagen ein Vortragsprogramm auf Konferenzniveau, das für alle Messebesucher offensteht.


Aussteller

  • Rolls-Royce Solutions GmbH, Stand B2.410
  • H-Tec Systems GmbH, Stand B2.518
  • Kyros Hydrogen Solutions, Stand B2.619
  • Lhyfe GmbH, Stand B2.450 F
  • European Electrolyzer & Fuel Cell Forum EFCF, Stand B2.617


Green Hydrogen Forum

  • Mittwoch, Donnerstag und Freitag (14.-16. Juni 2023), jeweils 13:00–14:00 Uhr
    Industrial/Product Live Pitches
  • Mittwoch, 14. Juni 2023, 14:00–15:25 Uhr
    Green Hydrogen within the EU
  • Donnerstag, 15. Juni 2023, 14:00–15:25 Uhr
    How to Obtain Suitable Conditions from Banks and Insurance Companies
  • Freitag, 16. Juni 2023, 14:00–15:00 Uhr
    Best Practice in Hydrogen

The smarter E Podcast
Electrolyzer solutions for sustainable energy | Dr. Oldenburg, Apricum | The smarter E Podcast #118

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter
www.ees-europe.com
www.TheSmarterE.de

Über die Trendpapiere

Unsere Trendpapiere bieten Ihnen Hintergründe und aktuelle Entwicklungen in ausgewählten Bereichen der neuen Energiewelt. Jedes Trendpapier steht auch als PDF-Version zum Download zur Verfügung. Die Übersicht über alle Trendpapiere finden Sie auf der Website von The smarter E Europe.

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