Warum nachfrageseitige Flexibilität so wichtig für die Energewende ist
Stellen Sie sich vor, Sie wissen wo ein Schatz vergraben liegt, aber um ihn zu heben, fehlt Ihnen noch das richtige Werkzeug. Vergleichbar ist das mit der Flexibilität im Stromnetz. Wir brauchen Sie, um die zunehmende Volatilität durch die Erneuerbaren im Energiesystem auszugleichen, aber wir können sie noch nicht in großem Stil nutzen.
Dabei wird das Problem mit dem raschen Zubau an PV- und Windkraftanlagen und der Elektrifizierung im Wärme- und Verkehrssektor immer größer. Denn wenn die Stromerzeugung volatiler wird, gleichzeitig aber die Nachfrage steigt und der Netzausbau nicht hinterherkommt, steigt die Wahrscheinlichkeit von Engpässen, weil Erzeugung und Verbrauch immer häufiger voneinander abweichen.
So musste Deutschland im Jahr 2021 2,3 Mrd. € für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen ausgeben, im Vergleich zu 1,3 und 1,4 Mrd. € in 2019 und 2020. Rainer Stock, Bereichsleiter Netzwirtschaft beim Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) warnte auf der Tagung Zukünftige Stromnetze Ende Januar in Berlin vor explodierenden Redispatch-Kosten. Man brauche neben einem beschleunigten Netzausbau jede Flexibilität auf Verbraucherseite, die man kriegen könne, um den Stromverbrauch an die volatile Erzeugung anzupassen.
Wo kommt die Flexibilität her?
Um ein ausreichend großes Flexibilitätspotenzial zu schaffen, müsse weiter elektrifiziert werden, sagte Dr. Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb 50 Hertz Transmission GmbH in Berlin: „Das ist Herausforderung und Chance zugleich und wird nur mit Sektorkopplung funktionieren können.“
Wie groß das Potenzial in Europa bis 2030 sein kann, haben der Verband smartEn und das Beratungsunternehmen DNV für eine im vergangenen Herbst erschienene Studie berechnet. Bei einer prognostizierten Spitzenlast von 752 GW in den 27 EU-Ländern im Jahr 2030 könnte die flexible Leistung rund ein Fünftel davon ausmachen. Das größte Potenzial für die Bereitstellung von nachfrageseitiger Flexibilität liegt laut der Studie beim elektrischen Heizen und der Elektromobilität. Weitere Quellen sind unter anderem Fern- und Prozesswärme (KWK), Laststeuerung in der Industrie (Demand-Side Response) und Batteriespeichersysteme behind the meter.
Wie kann der Schatz gehoben werden?
Dass dieses große Flexibilitätspotenzial ins Gesamtsystem integriert werden muss, steht auch für Staatssekretär Dr. Patrick Graichen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz außer Frage. „Sehr viel hängt davon ab, haben wir die nötigen Daten, wie steuert man das, welche Rolle hat der Netzbetreiber und welche am Schluss der Vermarkter, damit wir den großen Schatz an Flexibilität, der da schlummert, für das Gesamtsystem nutzen können“, fasste Graichen auf der Tagung wesentliche Fragen für die Nutzung von Flexibilität zusammen.